„Achtsamkeit ist ein radikaler Impuls. Sie ermöglicht nicht nur Stressreduktion, sondern auch Selbsterkenntnis und Mitgefühl.“<1>
In diesen verstörenden Zeiten, die gleichsam den Achtsamkeitshype feiern und weniger die Haltung von Präsenz im Augenblick und manchem mehr, kommt mir dieser Satz des Schweizer Mediziners Prof. Dr. Stefan Büchi gerade recht. Denn oft braucht es die eine oder andere Krise, bis jemand sich mit seinen inneren Treibern auseinandersetzt. Dann lauten die zentralen Fragen: „Wo stehe ich im Leben? Was treibt mich eigentlich an?“
An einem solchen Punkt angekommen, fallen Antworten leichter, wenn diese und weitere Fragen eingebunden sind in ein Programm zur Stressbewältigung. Mit MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) hat Prof. em. Jon Kabat-Zinn, Molekularbiologe, Stressforscher, Verhaltensmediziner und Meditationslehrer, an der University of Massachusetts ab 1979 ein einfaches und weltanschaulich neutrales Training entwickelt – zunächst als Ergänzung zu (klinischen) medizinischen oder psychotherapeutischen Behandlungen für chronisch Kranke, speziell Schmerzpatienten.
Stress-Prävention
Erschöpfungssyndrome
Angststörungen
Das MBSR-Training gilt längst als das weltweit besterforschte Stressbewältigungsprogramm. Viele Studien zeigen die Wirkung auf Gehirn und Immunsystem, auf die Fähigkeiten zur Stressbewältigung und Selbstregulation. Besonders empfohlen wird es bei Erschöpfung durch Überforderung und begleitend bei Angststörungen. Darüber hinaus findet MBSR auch und in besonderem Maße Anwendung in der ganzheitlichen Vor- und Nachsorge. Es richtet sich an Gesunde, die besser mit beruflichem und/oder privatem Stress umgehen wollen.
MBSR ist ein achtwöchiges Programm, in dessen Verlauf die Teilnehmenden 1mal wöchentlich 2,5 Stunden Selbstwahrnehmung und Konzentration mit verschiedenen Übungseinheiten schulen. Der Eigenbeobachtung, der Beobachtung des Atems, der Kunst des Loslassens und dem wertschätzenden Erfahrungsaustausch wird zu jeder Zeit große Bedeutung beigemessen. Zwischen dem sechsten und siebten Treffen findet ein „Tag der Stille“ statt.
Inzwischen konnten für das MBSR-Training in Studien positive Ergebnisse für Krebspatienten und deren Angehörige gezeigt werden – auch für Brustkrebspatientinnen bereits während der Strahlentherapie. Zudem spielen die Übungen im Rahmen der Behandlung von AD(H)S bei Erwachsenen eine zunehmend wichtige Rolle.
1 Jardine A: Achtsamkeit in der Wirtschaft (I/V): Wenn nichts mehr geht.
Neue Zürcher Zeitung, 1. August 2o17