Im Guten wie im Bösen: Gedanken und Gefühle beeinflussen den gesamten Körper. Genauer: Es ist das Immunsystem, das mit einer Armada von mehr als zehn Millionen Abwehrzellstämmen der Schlüssel zu unserer Gesundheit ist – und gewissermaßen unser innerer Arzt.
Größtes Immunorgan wiederum ist der Verdauungstrakt, dort sind etwa 80% aller Immunzellen des menschlichen Körpers angesiedelt. Umgeben werden sie von einem Nervengeflecht aus über 100 Millionen Neuronen. Dieses enterische Nervensystem, im Englischen „second brain“, im Deutschen „Bauchhirn“ genannt, reagiert wie ein Seismograph auf Stress und andere psychische Belastungen.
Über die (biochemischen) Bedingungen und Zusammenhänge zwischen Gedanken, Gefühlen und Immunsystem wurde noch vor 30 Jahren wild spekuliert, da zu wenig über die Kommunikationswege zwischen den großen Körpersystemen – dem Immun-, Nerven- und Hormonsystem – bekannt war.
Inzwischen ist längst messbar, wie die Seele mit dem Körper kommuniziert: Im Rahmen der Entwicklung der Psychoneuroimmunologie (PNI) wurde bekannt, dass das zentrale Nervensystem – das Gehirn und das Rückenmark – mit dem hochintelligenten Immunsystem über Nerven- und Hormonreize in Verbindung steht. Und umgekehrt.
Das psychosomatische Netzwerk
Das Ganze heißt psychosomatisches Netzwerk, dessen Existenz bildet die Grundlage für die Erforschung von Verhaltensweisen und die Wirkung auf das Immunsystem – und umgekehrt von Auswirkungen von Immunprozessen auf das Verhalten. In der Psychosomatik steht jede körperliche Krankheit mit seelischen Vorgängen in Zusammenhang; bei psychosomatischen Erkrankungen wandelt sich seelischer Schmerz in körperliche Symptome, sie sind Botschafter chronisch gewordener Konflikte und Defizite.
Auch akuter seelischer und körperlicher Stress beeinflussen die Funktionen der Körperabwehr: Die Nervenzellen des Gehirns können biochemische Substanzen (z. B. Hormone, Botenstoffe, Neuropeptide) produzieren, die dem Körper dazu verhelfen, effektiver Krankheiten zu verhindern. Andererseits kann die Entstehung oder Verschlechterung von Krankheiten begünstigt werden. Diese lebhafte Kommunikation zwischen allen Systemen wird mit unterschiedlichen Messmethoden zum Beispiel aus der Hirn-, Stress- und Hormonforschung dargestellt.
Heilung ist die Umarmung dessen,
was wir am meisten fürchten
Schaltstellen dieser Regelkreise sind das Gehirn mit der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) und dem Zwischenhirn (Hypothalamus), sind die Nebennieren und die Immunzellen selbst. Darüber hinaus können diese Regelkreise und Informationswege durch den Einfluss von Gedanken, Vorstellungen und Gefühlen gesteuert und damit auch für die Heilung genutzt werden.
Umgekehrt beeinträchtigen unbewusste negative Gedanken- und Gefühlsmuster die Prozesse in dem Sinn, dass die Selbstheilung unterdrückt wird. Die Informationen, die übertragen werden, hängen vom jeweiligen emotionalen Zustand ab. Wir erinnern uns: Emotionen sind das, was uns bewegt – im Körper, in Gedanken, im Gefühl, zum Handeln.
Beste Ausdrucksform für das Handeln sind gute, achtsame Selbstgespräche und im Idealfall eine Art des Miteinander-Redens, die sich für beide Seiten als bereichernd erweist, da sie geprägt ist von “3 W”: Wertschätzung, emotionale Wärme, kluge Worte.
Viele Wege führen zu diesem Ziel, Meditationen und das Meridianklopfen aus der Traditionellen Chinesischen Medizin sind zwei besonders wirksame. Das Besondere daran ist, dass sich durch Übung bisher ungenutzte Potenziale dem Bewusstsein erschließen.
Wenn wir uns daher, sooft von Achtsamkeit die Rede ist, nicht auch in unserem Herzen angesprochen fühlen, werden wir mit großer Wahrscheinlichkeit das Wesentliche verfehlen
Jon Kabat-Zinn